Ein Wunder der Natur

Musikabend an T.’s Schule. T. bekommt ihr Lieblingsessen, weil die Aufregung im Laufe des Spätnachmittags steigt. Dann verabschieden die stolzen Mütter ihr Kind, das sich natürlich schon früher  im Musiksaal einfinden muss.
Etwas später brechen auch wir auf, also BH (für die, die es noch nicht wissen: BH steht für Bessere Hälfte) und ich. Vorfreude macht sich breit. Es ist immer wieder wunderbar, wenn Kinder und Jugendliche zeigen, welche Freude sie an ihren Instrumenten und Stücken haben.
Schüler_innen aus Klasse 5 bis 12 spielen als Solist_innen, als Duos und Trios, manche streicheln ihr Instrument, andere traktieren es auch zuweilen, aber insgesamt ist es ein wunderbarer Querschnitt von Ergebnissen aus ganz schön langer Übung und Wiederholung.

Dann ist Pause. Die Kinder tummeln sich aufgeregt am Kuchenstand der Abiturklasse, die ihre Kasse durch den Verkauf von Leckereien auffüllt. Die Mutter einer Fünftklässlerin spricht mit ihrem Begleiter über das Stück, das T. gespielt hat.  Ich mische mich ein und sie identifiziert mich als T.’s Mutter. Schon aus ihren ersten Beiträgen quillt Ehrgeiz. Sie lässt musikalisch wichtige Namen und Institutionen fallen, fragt nach T.’s Lehrer und reagiert sichtlich herablassend, als ihr dieser Name kein Begriff ist.
Wir sind also eigentlich unter ihrer Würde, haben allerdings den entscheidenden Vorteil, dass unser Kind schon ein Jahr länger an der Schule weilt. Sie wiederum, nennen wir sie doch einfach Tigermutter, hat einige Fragen, die sie nun an uns richtet. BH, die neben mir steht, antwortet ganz selbstverständlich, spricht von „wir“ und wird daraufhin von Tigermutter gefragt, ob sie die Mutter eines anderen Musikkindes sei. BH sagt freundlich: „Nein, ich bin auch die Mutter von T. –  T. hat nämlich zwei Mütter.“ Tigermutters Gesichtszüge frieren ein. Sie rückt etwas näher an ihren Begleiter heran. Wir lächeln milde. Tigermutter: „Ooh!“ Dramatische Pause. Dann mustert sie uns, eine nach der anderen, und sagt spöttisch-süffisant: „Da ist wohl ein Wunder geschehen“. BH schaut ihr direkt in die Augen und entgegnet ganz ruhig: „Ja. Ein Wunder. Wir haben es möglich gemacht.“

Es klingelt, das Programm geht weiter. Wir verabschieden uns von Tigermutter und fühlen uns frei. Frei von diesem Zirkus, seine Kinder anzupreisen, frei von Heteronormativitätsterror. Wir genießen die Musik, freuen uns an den Kindern, diesen Wundern.

Beim Rausgehen nickt Tigermutter uns zu, „Bis spätestens, wenn wir die Kinder von der Musikfreizeit abholen.“ Sie hat also doch gespürt, für wen die Situation 1:0 ausgegangen ist.

Wir Regenbogeneltern sind einfach immer im Dienst. Im Dienst der Liebe.