Tagungsbericht „Familienbildung mit Spendersamen“ Teil 2 (Interviews I)

Am Rande von Tagungen bleibt meist nicht viel Zeit für Gespräche, weil das Vortragsprogramm dicht gedrängt ist. Trotzdem ist es RFN gelungen, in Erlangen eine Reihe von kurzen Interviews zu führen.

Interview mit Dr. Wolf Bleichrodt, Reproduktionsmediziner mit eigener Samenbank aus München

RFN: Herr Dr. Bleichrodt, Sie haben eine eigene Samenbank und führen schon länger auch bei lesbischen Frauen in Ihrer Praxis Inseminationen durch.
Ja, wir behandeln schon seit längerer Zeit lesbische Frauen und bewegen uns, meiner Meinung nach, auf sicherem rechtlichen Boden. Außerdem finden wir, dass die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare endlich ein Ende haben muss. Wir behandeln lesbische Paare, und bei Singlefrauen muss eine Person im Hintergrund da sein, die die finanzielle Verantwortung übernimmt, falls der leiblichen Mutter etwas zustößt. Das geschieht natürlich auf Vertrauensbasis, wir können nicht überprüfen, ob die Mutter diese Person von dieser Verpflichtung freistellt, das wäre ein sittenwidriger Akt. Alleinstehende Frauen, die niemanden im Hintergrund haben, werden von mir nicht behandelt.
Meine Tochter, die die Samenbank leitet und die Frauen psychologisch berät, klärt diese rechtlichen Fragen ab.

RFN: Unterscheiden Sie in Ihrer Preisgestaltung zwischen hetero- und homosexuellen Frauen?
Nein, wir sind sehr transparent und unterscheiden nicht. Mit dieser Art der Tätigkeit ist nicht viel Geld zu verdienen, man braucht doch ein hohes Maß an Idealismus.

RFN: Welche politischen und rechtlichen Notwendigkeiten sehen Sie derzeit?
Wir möchten ein nationales Spendenregister und wollen damit sicherstellen, dass von den einzelnen Praxen die Last genommen wird. Aber da zieht die Ärztekammer nicht mit.
Im Zusammenhang mit unserer Dokumentation der Daten haben wir  allerdings ein großes Problem: Die Frauen, die durch uns schwanger geworden sind, melden sich nicht immer zurück. Bei einer kürzlich durchgeführten Befragung haben wir eine Dunkelziffer von fast 10 Prozent herausgefunden,– d.h. fast 10% der eingetretenen Schwangerschaften sind nicht an uns zurückgemeldet worden, was natürlich für die Nachverfolgung von Spenderdaten schwierig ist. Diese Dinge müssen wir im Vorfeld sicher klären, das steht auch in unserem Vertrag, aber wir sind machtlos, wenn nicht danach gehandelt wird.

RFN: Warum macht die Ärztekammer bei der Forderung nach einem Spenderregister nicht mit?
Die Bundesärztekammer ist in dieser Frage überfordert. Ich muss das leider ganz deutlich sagen: Wie viele ethische Kommissionen dieser Art ist die Ärztekammer eine Gesellschaft von fachübergreifender Inkompetenz, die sind mit dieser Sache nicht behaftet, sind einfach strukturiert und wir haben den Eindruck, dass wir mit unseren Forderungen nur stören. In Bayern geht es noch, aber auf Bundesebene ist die Kammer überhaupt nicht daran interessiert, hier Abhilfe zu schaffen.

RFN: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den lesbischen Frauen, die zu Ihnen kommen?
Das ist sehr interessant, das ist eine gespaltene Gruppe. Zum einen kommen hochintellektuelle Damen zu uns, die an einer umfassenden Aufklärung interessiert sind, wir sprechen z.B. auch über Epigenetik. (Epigenetisch sind alle Prozesse in einer Zelle, die als „zusätzlich“ zu den Inhalten und Vorgängen der Genetik gelten, d.h. was wird genetisch übernommen, was wird hinterher geprägt.) Meine Tochter, die die psychologische Beratung macht, und ich müssen in verschiedenen Bereichen sehr firm sein, die Anforderungen an uns sind hoch. Die andere Gruppe von lesbischen Frauen hat einen niedrigeren sozialen Status und da erfolgt die Aufklärung selbstverständlich anders. Aber im Prinzip machen wir keine Unterscheidungen und behandeln alle gleich.

RFN: Das Thema Epigenetik ist bisher kaum beachtet, doch gerade für Regenbogenfamilien spielt es durchaus eine wichtige Rolle.
Aber natürlich. Die Frauen fühlen sich dadurch sehr entlastet. Sie sind den Genen des Spenders nicht ausgeliefert, sondern können gemeinsam ganz viel gestalten.

RFN: Vielen Dank für das Gespräch!

Interview mit Dr. Maarten van Santen, Gynäkologe aus Karlsruhe, der auch eine eigene Samenbank betreibt.

RFN: Sie behandeln auch lesbische  Frauen – wie hoch ist denn der Anteil der Lesben unter ihren Patientinnen?
Da wir keine IVF-Praxis sind, sondern nur Inseminationen durchführen, ist der Anteil ziemlich hoch. Lesbische Frauen brauchen ja nicht per se eine IVF oder ICSI, sie sind ja im Prinzip gesund, es fehlt ihnen nur der Samen. Eine künstliche Befruchtung ist also meistens gar nicht nötig.

RFN: Behandeln Sie nur verpartnerte Paare oder auch Singlefrauen?
Wir behandeln Frauen. Punkt. Selbstverständlich behandeln wir auch alleinstehende Frauen.

RFN: Warum sind viele Ärzte und Ärztinnen so zögerlich, wenn es um die Behandlung von lesbischen Frauen geht? Schließlich liegt ja keinerlei gesetzliches Verbot vor.
Es geht nicht um ein Verbot, es geht um die Folgen einer Befruchtung, also um die Haftung und um Unterhaltsfragen. Die meisten Ärzte wollen kein Risiko eingehen, wenn sie genug Arbeit haben.
Ich mache das aus Prinzip, weil ich nicht einsehe, Frauen, die sich ein Kind wünschen, Steine in den Weg zu legen. Wir schicken alle zum Notar, dort müssen sie vorweisen, wie sie finanziell abgesichert sind, falls sie erwerbsunfähig werden. Wenn jemand für sie bürgt oder genügend Reserven vorhanden sind, steht einer Behandlung nichts im Wege. Wenn allerdings jemand arbeitslos ist oder Hartz IV bezieht, dann kann man sich die Behandlung nicht leisten.

RFN: Wie dokumentieren Sie Ihre Spenderdaten?
Wie haben alles dokumentiert, sowohl im Computer als auch in Papierform, ich lege eine Spenderakte an, darauf sind alle Details festgehalten, auch Größe, Augenfarbe, Alter, Beruf und natürlich die Laborbefunde aus einem Speziallabor. Patientinnen bekommen dann verschiedene Vorschläge und sie entscheiden.

RFN: Müssen Lesben bei Ihnen mehr bezahlen?
So etwas habe ich ja noch nie gehört! Dann müssten diese Ärzte ja auch mehr bei den Lesben leisten oder gleich die Haftung übernehmen. Bei mir sind alle Menschen gleich.

RFN: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den lesbischen Frauen?
Wenn ich ganz selbstverständlich mit ihnen umgehe, dann sind sie auch ganz locker. Sie kommen mit ihren ausgefüllten Bögen vom Notar, dann legen wir los und wenn dann irgendwann ein Kind kommt, freuen wir uns und schicken den Frauen das Buch von Frau Thorn und Frau Green („Die Geschichte unserer Familie. Ein Buch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch Samenspende.“)

RFN: Welche Notwendigkeiten sehen Sie politisch?
Wir sind im Prinzip auf einem guten Weg. Sicher, die CSU ist extrem konservativ, aber wenn ich bedenke, dass die Lesben als Paar in der Politik mittlerweile wahrgenommen werden, dann ist das doch schon mal was. Und bei den alleinstehenden Frauen ist das im Prozess. Wenn wir in zehn Jahren wieder hier stehen, ist bestimmt Einiges vorangekommen.

RFN: Ermuntern Sie lesbische Frauen, sich untereinander zu vernetzen?
Ich glaube, das ist gut. Wir Ärzte sind doch sehr dominant, und da ist es sinnvoll, dass die Frauen sich vernetzen, mündig sind und auch mal widersprechen. Dann kann alles nur besser werden.

RFN: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview mit Dr. David Peet von der Berliner Samenbank

RFN: Wie hoch ist bei Ihnen denn der Anteil der lesbischen Frauen, die Sie behandeln?
Wenn ich die Gesamtzahl der Frauen ansehe, die wir behandeln, dann ist der Teil ziemlich gering, vielleicht ein bis zwei Prozent. Wenn ich aber den Anteil der Frauen rechne, die nur die Dienste der Samenbank in Anspruch nehmen, dann sind es zehn bis 15 Prozent.

RFN: Sie führen ja sowohl Inseminationen als auch künstliche Befruchtungen durch. Behandeln Sie alle gleich oder gibt es bei Ihnen den berüchtigten „Lesbenzuschlag“?
Nein, bei uns gibt es höchstens einen Menschlichkeits- oder Normalitätszuschlag (lacht). Wir behandeln alle gleich mit Normalität und Sympathie. Bei der Behandlung von Lesben haben wir allerdings eine Einschränkung: Bislang können nur verpartnerte Paare unsere Dienste in Anspruch nehmen, damit wir bzw. unsere Spender wenigstens ein Stück weit mehr Sicherheit haben. Wir raten den Paaren auch, in ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Kindes eine Stiefkindadoption durchzuführen, was sie natürlich kopfnickend entgegennehmen, aber mehr auch nicht. Wie Sie ja wissen, ist diese Lösung für alle Beteiligten die beste, und wir als Betreiber der Samenbank und der Spender sind damit aus dem Schneider.

RFN: Welche Notwendigkeiten sehen Sie politisch und rechtlich?
Das ist eigentlich ganz einfach, es muss Schluss sein mit der Diskriminierung von lesbischen Paaren und Singlefrauen, was den Zugang zur Behandlung angeht. Darüberhinaus sollten die Spender von jeglichen finanziellen Verpflichtungen freigestellt werden, auch wenn sie als genetischer Vater identifiziert werden können.

RFN: Halten Sie es für gut, wenn sich Lesben mit Kinderwunsch vernetzen, um den politischen Druck zu erhöhen?
Aber sicher, Masse ist das Einzige, was heutzutage irgendetwas bewirkt. Es bedarf ja zigtausender Paare und Kinder, bevor die Politik eine Notwendigkeit zum Handeln sieht.

RFN: Erlebt Berlin einen lesbischen Babyboom?
Das kann ich nicht einschätzen. Aber die Zahl der lesbischen Paare, die zu uns kommen, ist deutlich nach oben gegangen. Das hat sicher auch mit der Vernetzung und Etablierung von Regenbogenfamilien sowie der Präsenz einschlägiger Webseiten und einem entsprechenden Beratungsangebot, wie z.B. des Feministischen Frauengesundheitszentrums, zu tun. Es gibt zum Glück immer weniger Menschen, die denken, diese Form der Familie sei nicht möglich.

RFN: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview mit Dr. Andreas Hammel, Leiter der Erlanger Samenbank und Veranstalter des 1. Erlanger Symposiums

RFN: Herr Dr. Hammel, Sie haben zum 10jährigen Bestehen der Erlanger Samenbank das 1. Erlanger Symposium zur Familienbildung mit Spendersamen organisiert. Können Sie schon ein kleines Fazit ziehen?
Es gab spannende Vorträge und ich denke, dass es für alle Beteiligten interessant und neu war, auf Augenhöhe gleichberechtigt miteinander ins Gespräch zu kommen. Deutlich wurde, dass jede Gruppierung, die an der Familiengründung beteiligt ist, ihre eigene Geschichte hat und diese auch den jeweils anderen Parteien vermitteln möchte.

RFN: Sie behandeln in Ihrer Praxis auch lesbische Paare. Wie hoch ist denn der Anteil der Lesben unter Ihren Patientinnen?
Wir haben Ende 2012 angefangen, auch Lesben unsere Dienste anzubieten, also Insemination, IVF und ICSI. Nicht alle Spender sind bereit, auch für lesbische Paare zu spenden, von daher sind wir diesbezüglich limitiert. Momentan haben wir etwa 40 Paare in der Behandlung.

RFN: Die Paare müssen verpartnert sein?
Ja, bei uns müssen die Paare beim Notar eine Vereinbarung unterschrieben haben, dass die Stiefkindadoption geplant ist und was im Falle des Todes der leiblichen Mutter geschehen soll, damit der Spender von allen Unterhaltsforderungen freigestellt ist.
Wir behandeln keine alleinstehenden Frauen, weil wir die Rechtslage so interpretieren, dass in Deutschland ein Kind das Recht auf Unterhalt und Erbe von zwei Elternteilen hat.

RFN: Behandeln Sie alle Frauen gleich oder gibt es unterschiedliche Kosten für Lesben?
Es würde mir völlig widerstreben, für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise zu verlangen! Was wir allerdings verlangen ist ein Nachweis, dass beide Partnerinnen zusammen in den letzten beiden Jahren jeweils mehr als 50.000 Euro verdient haben. Das mag etwas irritierend sein, aber es dient dazu, das Risiko für den Spender zu minimieren.  Wenn beispielsweise mittellose Frauen die Behandlung durchführen, könnte vielleicht eher mal die Idee aufkommen, den Spender auf Unterhalt zu verklagen. So ist also doch eine leichte Hürde bei uns eingebaut.

RFN: Wie sind Ihre Erfahrungen nach einem knappen Jahr?
Ich sehe viele Gemeinsamkeiten zwischen den lesbischen und den heterosexuellen Paaren, so bald klar ist, wer das Kind austrägt. In beiden Gruppen gibt es Frauen, die sich mehr oder weniger im Vorfeld informiert haben. Wir empfehlen eine psychosoziale Beratung, das ist aber nicht verpflichtend.

RFN: Welche politischen Notwendigkeiten sehen Sie?
Auf rechtlicher Seite muss der Spender von der Unterhaltspflicht freigestellt werden, das ist auch ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung der Paare zu sehen, die eine Spendersamenbehandlung in Anspruch nehmen. Die Lesben sind, wenn die Stiefkindadoption durchgeführt worden ist, ja zum Glück aus dem Schneider.

RFN: Woran liegt es, dass nicht alle zwölf Samenbanken, die es in Deutschland gibt, ganz offen für Lesben sind?
Jede Samenbank hat ihre Geschichte, und es spielt eine große Rolle, wie man selbst geprägt ist. Samenbanken von Kollegen, die mit der Behandlung in einer Zeit begonnen haben, in der sie von Sanktionen bedroht waren, sind von dieser Zeit geprägt. Damals war es völlig klar, dass die Anonymität des Spenders gewahrt bleiben musste, das wurde nicht hinterfragt. Es ist schwer, da umzudenken, und das kann ich nachvollziehen.

RFN: Stina vom Verein „Spenderkinder“, die erst als Erwachsene erfuhr, dass sie durch eine anonyme Samenspende gezeugt wurde, hielt einen Vortrag, aus dem hervorging, wie wichtig es für sie gewesen wäre, ihren biologischen Vater kennenzulernen. Lesbische Familien müssen ihre Kinder aufklären, diese Art von Familiengeheimnisse gibt es in Regenbogenfamilien nicht. Es wäre spannend gewesen, wenn auf der hiesigen Tagung auch ein erwachsenes Regenbogen-Inseminationskind gesprochen hätte. War dafür die Zeit noch nicht reif?
Dieses Symposium war ja der erste Versuch, überhaupt einmal alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen. Es konnte nicht alle Gruppen repräsentieren. Ich denke darüber nach, dieses Symposium zu wiederholen, weil es ein großer Erfolg war, und da kann ich mir durchaus vorstellen, ein Kind aus einer lesbischen Beziehung bzw. ein früh aufgeklärtes Kind von seinen Erfahrungen erzählen zu lassen.

RFN: Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

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