Normal, normal

Neulich fiel mir eine kleine Briefkarte in die Hände. Sie war aus dem Jahr 2004.
Im betreffenden Jahr war ich gerade mit dem Erstellen des Manuskripts von „Und was sagen die Kinder dazu“ beschäftigt und noch auf der Suche nach möglichen Interviewpartner_innen. Auf Umwegen landete ich bei einer Familie, die aus einem Lesbenpaar und etwa 14-jährigen Zwillingsmädchen bestand. Die Töchter stammten aus einer heterosexuellen Beziehung.

Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch mit den Beiden. Sie waren sehr mitteilsam und die Atmosphäre war freundlich und entspannt. Das Buchprojekt fanden sie spannend. Dennoch gab es Fragezeichen, ob sie wirklich mitmachen wollen.
Und dann flatterte mir kurze Zeit später besagte Briefkarte ins Haus: „Wir freuen uns mit dir, dass dieses Buch irgendwann veröffentlicht wird, wollen aber selbst doch nicht mitmachen. Unsere Familie ist okay, wie sie ist und wir müssen niemandem beweisen, dass wir normal sind.“

Puh, das war eine Antwort, mit der ich nicht wirklich gerechnet hatte. Leider war ein klärendes Gespräch nicht mehr möglich, und mir blieb nur die Möglichkeit, Vermutungen anzustellen. Was könnte passiert sein? Hatte mein Buchprojekt hauptsächlich die Intention, zu zeigen wie normal Regenbogenfamilien sind? Eigentlich ging es darum, die Töchter und Söhne überhaupt mal zu Wort kommen zu lassen – in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Lebensgeschichten. Normal? Schwieriges Wort.

Letzlich habe ich die Antwort als Gegenangriff empfunden, und zwar als Gegenangriff, dem gar kein Angriff vorausging. Vielleicht war es ja auch den Müttern nicht recht. Internalisierte Homophobie? Gerne wüsste ich, was aus den nun 24-jährigen Frauen geworden ist. Vielleicht schreibe ich ihnen ja mal – möglicherweise können sie mir heute, 10 Jahre später, erklären, was damals in ihnen vorging.

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