Gemeinschaftliche Adoption: Österreich hat die Nase vorn

Große Freude in Österreich: Der Verfassungsgerichtshof hat das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption für gleichgeschlechtliche Paare gekippt!

FAmOs (Familien Andersrum Österreich), der österreichische Regenbogenfamilienverband, ist hocherfreut über das VfGH-Urteil:

„Wir freuen uns sehr über dieses Urteil“, sagt Barbara Schlachter, Obfrau des Vereins FAmOs. Es ist ein nächster wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung und ein wichtiges Zeichen für die betroffenen Familien. Nun können Gerichte im Einzelfall, im Interesse des Kindeswohls, die Eignung von Paaren (ungeachtet ob gleich- oder verschiedengeschlechtlich) prüfen. Der VfGH stellt fest, dass die Bedenken, gleichgeschlechtliche PartnerInnen wären dem Kindeswohl abträglich, “von vorneherein ungeeignet“ sind.

Eine ganz wesentliche Änderung bedeutet das auch für bereits bestehende Familien. Für das Heranwachsen der Kinder ist es besonders wichtig das Gefühl zu haben, dass ihre persönliche Familienform akzeptiert und respektiert wird. Dafür setzten wir uns auch weiterhin ein.

Ein Dank gilt wieder mal dem klagenden Paar und RA Graupner, der unermüdlich Diskriminierungen aufzeigt und bekämpft. „Wir würden uns sehr wünschen, dass nicht alle Ungleichbehandlungen durch Gerichte aufgehoben werden müssen, sondern dass endlich ein neuer Umgang der gegenseitigen Wertschätzung möglich wird.“, so Schlachter abschließend.

Und hier die Pressemitteilung des LSVD zum neuesten Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshof:

Österreichischer Verfassungsgerichtshof: Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Das gilt natürlich genauso für das deutsche Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner

In einem heute veröffentlichten Urteil vom 11.12.2014 (Az. G 119-120/2014-12) hat der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden, dass das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption eines Kindes durch Lebenspartner gegen Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EMRK verstößt. Da das österreichische Recht die Stiefkindadoption durch Lebenspartner zulasse, sei es „inkohärent“, gleichzeitig die gemeinschaftliche Adoption zu verbieten. Das Verbot könne auch nicht mit dem Schutz der Ehe oder der traditionellen Familie gerechtfertigt werden, da die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes durch Lebenspartner die Ehe nicht gefährden könne. Dazu erklärt Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßt das Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) mit dem er das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Partner aufhebt. Die deutsche Bundesregierung sollte das österreichische Urteil zum Anlass nehmen, das deutsche Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner nun endlich ebenfalls zu beseitigen.

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, dass „rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen“, beseitigt werden. Dazu gehört auch die Ungleichbehandlung beim gemeinsamen Adoptionsrecht. Statt ihren homophoben Markenkern zu pflegen, müssen die Union und Kanzlerin Merkel endlich ihre Bauchgefühle überwinden und sich an den Koalitionsvertrag und die Europäische Menschenrechtskonvention halten. Die SPD sollte auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags drängen und die versprochenen 100% Gleichstellung so konsequent umzusetzen, wie sie das bei anderen Wahlversprechen getan hat. Die ganz einfache Lösung dafür: Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Damit wäre die Ungleichbehandlung von homo- und heterosexuellen Paaren endlich vom Tisch.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19.02.2013 zur Sukzessivadoption von Kindern durch Lebenspartner festgestellt, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe (1 BvL 1/11 u. 1 BvR 3247/09 juris, BVerfGE 133, 59. Dem hat sich der Bundesgerichtshof inzwischen angeschlossen (Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13 juris). Es wird Zeit, dass die Koalition das endlich umsetzt.

Hintergrund
Das Verbot der gemeinschaftlichen Adoption von Kindern durch Lebenspartner hat in Deutschland praktisch keine Bedeutung mehr, weil Lebenspartner es dadurch umgehen können, dass sie ein Kind nacheinander adoptieren. Das ist sogar in ein und demselben Termin möglich. Der Familienrichter kann zunächst die Annahme des Kindes durch einen der Lebenspartner beschließen und den Beschluss diesem Lebenspartner sofort aushändigen. Damit ist der Beschluss wirksam und sofort rechtskräftig (§ 197 FamFG i.V.m. § 15 Abs. 2 FamFG und § 173 ZPO). Deshalb kann der Familienrichter sofort danach den Beschluss über die Annahme des Kindes durch den anderen Lebenspartner fassen und dem anderen Lebenspartner aushändigen. Die Zulassung der gemeinschaftlichen Adoption wäre deshalb auch eine Verfahrensvereinfachung und würde die Belastung der Familiengerichte verringern.

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