Wer hat wirklich Grund, „besorgte Eltern“ zu sein?

Wenn ich etwas über die „Besorgten Eltern“ (*) höre oder lese, dann muss ich mich stets fragen, wer denn hier eigentlich besorgt sein muss?
Etwa diejenigen, deren Kinder in der Schule endlich mal mehr hören als „Mädchen interessiert sich für Junge und umgekehrt und das gehört zur Pubertät“? Oder deren Kinder die Möglichkeit haben, ohne Angst Fragen zu stellen, wenn sie das Gefühl haben, emotional eben nicht zur so genannten Mehrheit zu gehören? Oder deren Kinder sich einer Lehrkraft anvertrauen können, wenn sie glauben, dass ihr Körper und ihr innerpsychisches Erleben nicht zusammenpassen?

Also ich wäre froh, wenn die Schule meiner Tochter T. nach einem Leitbild arbeiten würde, das genau diese Inhalte verankert hätte:  Vielfalt der Lebensformen, Vermeidung von Heterosexismen und grundsätzliches Hinterfragen von Heteronormativität, Abbau von Homophobie und Diskriminierung etc.
Aber so weit sind wir noch lange nicht! Deshalb kann ich nur sagen:

ICH BIN EIN BESORGTES ELTERNTEIL!

Unsere Kinder sind in Gefahr. Sie sind in Gefahr, ihre Regenbogenfamilienform nirgendwo wiederzufinden, weder in den Schulbüchern noch in den regulären Unterrichtsmaterialien. Jede Familie muss sich bemühen, im Kontakt mit den Lehrkräften darauf aufmerksam zu machen, dass es auch diese Familienform gibt.

ICH BIN EIN BESORGTES ELTERNTEIL!

Wieviele Lehrkräfte wissen, wie sie auf einen homophoben Kommentar reagieren sollten? Viel zu wenige!  Wieviele Kinder aus Nicht-Hetero-Familien bzw. wieviele Jugendliche, die sich im Coming out-Prozess befinden, fühlen sich in der Schule adäquat begleitet bzw. geschützt? Viel zu wenige!

ICH BIN EIN BESORGTES ELTERNTEIL!

Wenn ich dann noch das Wort „Frühsexualisierung“ höre, dann bin ich nicht nur extrem besorgt, sondern dann werde ich extrem wütend. Als ob die Pluralisierung der Lebensformen ein Lerninhalt wäre, dem man verfällt, sobald man in verschiedenen Fächern darüber differenziert informiert wird. Als ob das Bemühen um den  Abbau von Homophobie dazu führt, dass plötzlich alle Achtjährigen über sexuelle Praktiken Referate halten müssten. So ein Unsinn!
Wir haben die Aufgabe, unsere Kinder vor dieser Gruppierung zu schützen, die Unwahrheiten über Bildungspläne verbreitet.

Ich bin besorgt, dass auch scheinbar aufgeklärte, moderne und offene Eltern plötzlich Angst davor haben, dass ihr Kind in der Schule hört, dass Liebe und das menschliche Dasein unendlich viele Gesichter haben können.

 (*) Unter diesem Namen treten Leute auf, die sich im Widerstand gegen fortschrittliche Bildungspläne formiert haben. Mit besorgtem Elternsein hat dies gar nichts zu tun, sondern hier tummeln sich extrem konservative mit evangelikalen Kräften. Es bleibt zu hoffen, dass ihnen wirklich besorgte Eltern, denen das Wohl ALLER  Kinder am Herzen liegt, nicht auf den Leim gehen.

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